Die Elektronikmesse CES stand diesmal ganz im Zeichen von Künstlicher Intelligenz und digitalen Assistenten wie ChatGPT. Vom Smarthome-Standard Matter war deutlich weniger die Rede als vergangenes Jahr und auch die Zahl der Produktvorstellungen auf diesem Gebiet ist zurückgegangen. Dafür dürfte es – mal abgesehen vom KI-Hype, der so ziemlich alles überstrahlte – vor allem zwei Gründe geben.
Zum einen sind die Hersteller zurückhaltender mit Ankündigungen geworden. Nicht zuletzt, weil die Umsetzung des Standards noch mit Kinderkrankheiten kämpft. Man denke an die Problematik inkompatibler Thread Border Router (mehr dazu in diesem Interview) oder Anlaufschwierigkeiten mit Bridges, die manche Hersteller hatten. Zum anderen verliert Matter als Marketinginstrument ein wenig an Strahlkraft, weil der Name eben kein Garant dafür ist, dass zertifizierte Produkte in allen Ökosystemen gleichermaßen funktionieren.
Die großen Plattformen von Alexa bis SmartThings legen individuelle Geschwindigkeiten an den Tag, was die Integration neuer Gerätekategorien und Funktionen angeht. Damit taugt ein Matter-Logo auf der Verpackung weniger als Orientierungshilfe als die bekannten „Works with“-Embleme von Amazon, Apple, Google & Co. Eigene Zertifizierungsprogramme der Plattformen, die teilweise auf Matter aufbauen, behalten somit ihre Bedeutung. Der Standard selbst rückt als Verbindungstechnologie eher in den Hintergrund.
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Amazon: Matter Casting
Die Möglichkeit, Audio- und Videosignale zu streamen, ist seit Matter 1.0 im Standard vorgesehen. Sie schlummert in den Mediaplayer-Spezifikationen, die auch Grundfunktionen eines Fernsehers wie Lautstärke und Kanalwechsel kontrollieren. Bis jetzt machte kein Hersteller von ihr Gebrauch. Auf der CES 2024 hat Amazon nun erstmals ihren Einsatz angekündigt (link) – und auch gleich einen Namen dafür geprägt: „Matter Casting“.
Dank Matter Casting soll es möglich sein, ein Programm aus Amazons Prime Video-App auf geeignete Endgeräte zu streamen. Als ersten kompatiblen Empfänger nennt das Unternehmen den hauseigenen Echo Show 15. Geräte mit Fire-TV-Funktion sollen in den kommenden Monaten folgen, darunter auch Fernseher von Panasonic mit dem Fire-TV-Betriebssystem, die ebenfalls auf der CES angekündigt wurden (link).
Amazon betont in seiner Mitteilung den offenen Charakter des Standards, der es allen Herstellern ermögliche, Matter Casting in ihre Geräte einzubauen. Programmanbieter wie Pluto TV, Sling TV, Starz und das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) sind wohl schon im Boot und wollen Matter Casting in ihre Apps integrieren. Branchengrößen wie Disney, Netflix, Paramount oder YouTube haben sich bislang aber nicht geäußert.
Auch scheint offen, ob die anderen drei großen Matter-Unterstützer nachziehen werden und Matter Casting ebenfalls in ihre Ökosysteme integrieren. Apple hat mit AirPlay längst eine eigene Lösung am Start, Google konnte Chromecast etablieren und Samsung mit SmartThings nutzt diverse Technologien fürs Screen Mirroring.
Aqara: Hub M3 und mehr
Der schon länger angekündigte Smarthome-Hub M3 von Aqara zeigte auf der CES erstmals sein Potenzial. Er ist nicht einfach ein verbesserter Hub M2, sondern wartet mit interessanten Extras auf. Zur erwarteten Eigenschaft als Matter-Bridge für Zigbee-Geräte von Aqara und Infrarot-Fernbedienung kommen Thread und Bluetooth als weitere Funkprotokolle. Außerdem dient der M3 als Border Router und soll Matter Bindings zwischen Thread-Produkten von Aqara herstellen können. Damit diese autark funktionieren, ohne Beteiligung eines Hubs.
Vor allem aber geht Aqara mit ihm den Schritt zum eigenen Matter-Ökosystem. Statt verbundene Produkte nur an Apple, Google & Co. weiterzureichen, kann der Hub als Matter-Controller auch selbst Geräte anderer Hersteller verwalten und automatisieren. Aqara weist sicherheitshalber darauf hin, dass die Unterstützung solcher Drittanbieter-Produkte erst schrittweise eingeführt wird und einige Matter-Gerätekategorien zum Start des Hubs im zweiten Quartal 2024 wohl nicht zur Verfügung stehen werden. Aber das ist im neuen Smarthome-Standard ja nicht ungewöhnlich.
Ein absolutes Novum stellt der Border Router Plug dar. Ein Thread-Zwischenstecker, der Funksignale im Thread-Netzwerk nicht nur verstärkt (wie es alle tun), sondern das Mesh auch per WLAN mit dem Heimnetzwerk verbindet. So lassen sich Thread-Produkte mit Matter-Controllern nutzen, die das Funkprotokoll selbst nicht unterstützen.
Ob das nur für Aqaras eigene Controller gilt oder auch für Fremdprodukte wie den Echo Dot von Amazon oder einen HomePod der ersten Generation muss sich zeigen. Prinzipiell ist die Border-Router-Funktionalität in alle möglichen Geräte integrierbar, sie war bislang aber ausschließlich in Smarthome-Hubs, Smart Speakern und Smart Displays zu finden. Aqara baut sie als Erstes in ein Endgerät wie den Smart Plug ein und macht Thread damit in jedem Haushalt leicht nachrüstbar.
Dritte Aqara-Neuheit auf der Messe in Las Vegas war ein Smart Lock namens U300. Der Türschlossantrieb mit Thread-Funk, Matter und Zifferntastatur ist gewissermaßen der internationale Bruder des EU-Modells U200, das der Hersteller auf der IFA im Herbst 2023 vorgestellt hat. Zu beiden Produkten – U300 und Border Router Plug – nennt Aqara noch keine Liefertermine. Sie sollen „in den kommenden Monaten“ bestellt werden können.
Ecovacs: Deebot X2 Combo
Zur CES hat Ecovacs Robotics ein besonderes Paket geschnürt: Der chinesische Hersteller kombiniert das Topmodell seiner Saugroboter – den Deebot X2 Omni (um 1400 Euro) – mit einem Handstaubsauger. Die zugehörige Dockingstation entleert beide und kümmert sich außerdem um den Wischmopp des Bodensaugers, reinigt und befeuchtet ihn. Warum die Kombi hier steht: Weil der Saugroboter zu den ersten Modellen gehört, die von der gleichnamigen Gerätekategorie in Matter 1.2 Gebrauch machen. Er soll sich in Matter-fähige Smarthome-Systeme integrieren lassen und etwa vollautomatisch mit der Arbeit beginnen, wenn diese den Befehl dazu geben. Messebesuchern in Las Vegas wurden ein Preis von rund 1600 US-Dollar und ein Verkaufstermin Ende März genannt. Die Verfügbarkeit und Preise für Europa will Ecovacs zu einem späteren Zeitpunkt bekannt geben (link)
LG: TVs mit Google Home
Bereits auf der CES 2022 hat LG angekündigt, den Matter-Standard zu unterstützen. Ein Update der App LG ThinQ machte es 2023 möglich, LG-TVs als Matter-Controller zu nutzen – sofern diese über das Betriebssystem webOS23 und die Home-Hub-Funktion verfügten (link). Ein durchgängiges Konzept war hinter diesem ersten Aufschlag aber nicht zu erkennen.
Das soll mit dem Gerätejahrgang 2024 anders werden. Auf der Pressekonferenz in Las Vegas hat der koreanische Hersteller einen Kurswechsel vollzogen: Erik Kay, Vizepräsident für Technik bei Google, betrat die Bühne und erklärte, dass Fernseher von LG in Zukunft als „Hubs für Google Home“ dienen werden. Damit könnte sich LG von der Aufgabe entledigen, die Software eines Matter-Controllers selbst pflegen und an neue Versionen des Standards anpassen zu müssen. TV-Gerät und ThinQ-App greifen stattdessen auf Funktionen von Google zu. Ein interessanter Schachzug, um ein reifes Matter-Ökosystem anbieten zu können und gleichzeitig der SmartThings-Welt von Samsung etwas entgegenzusetzen.
Die Kooperation ist Teil von Googles Strategie, die Smarthome-Plattform des Konzerns auf Produkte anderer Hersteller zu bringen. Neben LG-Fernsehern sollen künftig auch „ausgewählte Google-TVs und andere Geräte mit dem Betriebssystem Android TV” als Google Home Hub dienen (link).
Lockly: Smart Lock Visage
Buchstäblich ein Hingucker war das kommende Smart Lock des US-Anbieters Lockly. Visage – so der Name des akkubetriebenen Antriebs für Riegelschlösser – erfasst die Gesichtszüge seines Gegenübers, wie es auch Smartphones tun. Stimmt der 3D-Scann mit den gespeicherten Daten autorisierter Bewohner überein, öffnet sich die Tür. Als weiteres biometrisches Verfahren steht ein Fingersensor zur Verfügung. Darüber hinaus soll das Smartlock den Matter-Standard und Apples HomeKey-Technologie unterstützen, wenn es im Sommer für rund 350 Dollar auf den US-Markt kommt (link). Für bereits erhältliche Lockly-Schlösser plant der Hersteller eine Bridge namens Matter Link, die per WLAN eine Verbindung zu Matter-Plattformen herstellt (link).
Mui Lab: Mui Bord 2.0
Regelmäßigen Lesern wird das Mui Board 2.0 bekannt vorkommen. Es war bereits in der CES-Auswahl 2023 und sollte eigentlich letztes Jahr auf den Markt kommen. Zur Messe im Januar ist nun die Crowdfunding-Kampagne auf Kickstarter gestartet (link). Interessenten können das smarte japanische Holzbrett mit Touchoberfläche für rund 500 US-Dollar vorbestellen und dann auf eine Auslieferung im Dezember 2024 hoffen.
Nanoleaf: neue Essentials
Der Beleuchtungsspezialist erweitert seine Matter-Produktfamilie um drei Produkte: einen mehrfarbigen Lightstrip mit individuell ansteuerbaren LEDs, eine Girlande für den Außenbereich (Outdoor String Light) sowie eine Lichtleiste für den Einsatz an Gebäuden, die Fassaden in farbiges Licht taucht (Wall Wash). Alle drei lassen sich in Grundfunktionen über Matter-Systeme fernbedienen, zeigen ihre volle Pracht aber nur mit der App von Nanoleaf. Zu Preisen, technischen Details und Lieferterminen ist noch nichts bekannt.
Außerdem gab Nanoleaf den Verkaufsstart seiner Deckenleuchte Skylight bekannt, die auf der CES 2023 als Matter-Produkt präsentiert wurde. Das modulare System aus Leuchtquadraten kann nun auf der Nanoleaf-Webseite vorbestellt werden – zu Preisen ab 250 Euro (link). Die Erweiterungskachel kostet 80 Euro. Interessanterweise ist im Shop aber nicht mehr vom Matter-Standard die Rede. Auch das Logo fehlt, anders als bei den Essentials-Produkten. Stattdessen arbeitet Nanoleaf im Falle des Skylight ausschließlich mit den bekannten „Works with“-Emblemen der großen Smarthome-Systeme. Auf Nachfrage bestätigt der Hersteller, dass der Matter-Standard aktuell nicht unterstützt wird. Man plane allerdings, ihn auch in Panel-Produkte zu integrieren. Zum Wann und Wie macht das Unternehmen keine Aussage.
Razer: Aether Monitor Light Bar
Gamer können ihr Spielzimmer künftig mit noch mehr Matter-kompatiblen Leuchten von Razer ausstatten. Der Zubehörspezialist aus Kalifornien hat auf der CES einen Monitor-Leuchtbalken präsentiert, der den Schreibtisch erhellt und eine sehr natürliche Farbwiedergabe mit einem CRI 95 (Colour Rendering Index) verspricht. Nach hinten in den Raum strahlen farbige LEDs ab, die sich auch in Razers eigene dynamische Steuerung Chroma RGB integrieren lassen. Die Aether Monitor Light Bar mit WLAN kostet 150 Euro und soll ab März verfügbar sein (link).
Ergänzt wird die Lichtleiste um zwei Tischleuchten fürs Gaming-Zimmer, die den Rest des Raumes erhellen. Die Aether Lamp (90 Euro) strahlt dabei rundum dieselbe Lichtfarbe ab – gesteuert über Matter oder Chroma RGB (link). Die Ather Lamp Pro (150 Euro) bietet eine Mehrzonen-Beleuchtung mit individuell einstellbaren Farben (link). Außerdem gibt es einen Matter-kompatiblen Lightstrip und eine passende WLAN-Lampe.
Roborock: S8 MaxV Ultra
Mit Roborock springt ein weiterer chinesischer Hersteller auf den Matter-Zug auf und wird sein neues Topmodell mit dem Standard ausstatten. Der Roborock S8 MaxV Ultra soll alle Saugroboter-Befehle von Matter 1.2 nutzen, wenn er später im Jahr für rund 1800 US-Dollar auf den US-Markt kommt. Voraussetzung: Die Matter-Ökosysteme sind bis dahin soweit, dass sie Saugroboter unterstützen. Sein stolzer Preis resultiert aus einer bislang ungekannten Kombination an Reinigungsfunktionen. So verfügt der S8 MaxV Ultra laut Hersteller nicht nur über eine sehr hohe Saugleistung von 10.000 Pa (Pascal), sondern auch über ein Mopp-System mit 60 Grad heißem Wischwasser, eine ausgeklügelte Eckenreiningung und einen eigenen Offline-Sprachassistenten namens Rocky (link).
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