Amazon Echo 4 und der Aetotec-Hub für SmartThings.

Das Bridge-Dilemma im Matter-Standard

Anfang September haben Amazon und SmartThings mit einem Software-Update die Unterstützung sogenannter Matter-Bridges auf ihren Plattformen freigeschaltet. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass Produkte wie Philips Hue sich in Matter-Systemen nutzen lassen. Und dass sie bislang fehlte, dürfte mit ein Grund gewesen sein, warum Hersteller Signify das Update seiner Hue-Brige bis jetzt zurückhielt – statt es wie geplant im ersten Quartal 2023 zu veröffentlichen. Eine frühere Integration unter Matter wäre auf beiden Plattformen schlicht nicht möglich gewesen, nur Apple und Google hatten ihre Ökosysteme so weit. Bemerkenswert für einen Standard, der verspricht, die Zusammenarbeit von Geräten zu erleichtern und zu verbessern.

Philips Hue-Bridge
Im September soll die Philips-Hue-Bridge ihr Update für Matter bekommen. ©matter-smarthome

Zu spät und zu wenig

Dass Funkbrücken für drahtlose Protokolle wie Bluetooth, Zigbee und Z-Wave, die seit Version 1.0 im Standard vorgesehen sind, erst ein knappes Jahr später von allen vier großen Ökosystemen unterstützt werden, ist aber nur ein Teil des Dilemmas. An Verspätungen haben sich Early Adoper von Matter inzwischen gewöhnt. Interessant erscheint weniger, dass die Funktion spät kommt, sondern wie sie kommt.

Denn während News-Seiten und Tech-Influencer noch überall die frohe Botschaft verkünden, sehen sich erste Anwender mit den Herausforderungen der Praxis konfrontiert. Sie stellen fest: Eine prinzipielle Unterstützung von Matter-Bridges sagt nichts darüber aus, was auf der jeweiligen Plattform wirklich geht.

Das liegt zum einen an den Regularien des Standards, der Plattformbetreiber nicht zur Umsetzung verpflichtet. Sie müssen nicht jede Gerätespezifikation übernehmen, die Matter vorsieht. Zum anderen ist die Entwicklung für alle Beteiligten komplex, weil sich die Dinge immer noch stark in Bewegung befinden. George Yianni, Head of Technology bei Philips Hue, hat es gegenüber matter-smarthome so erklärt: „Viele Parteien müssen gut zusammenarbeiten. Es beginnt mit einer Software-Version, die wir für gut halten, um sie auf den Markt zu bringen. Dann kommt etwas Neues von Apple. Amazon hat was, Google hat etwas und wir testen unser Produkt jedes Mal dagegen. Dabei finden wir alle Arten von Problemen und diagnostizieren sie. Manchmal liegt die Ursache in unserer Implementierung, manchmal in deren“.

So entstehen schnell Verzögerungen im Zeitplan, wie die vergangenen Monate gezeigt haben. Dabei handelt es sich im Fall von Philips Hue um ein überschaubares System mit vergleichsweise wenigen Gerätekategorien, die bislang ausschließlich das Licht steuern. Was der Arbeitsaufwand für Anbieter bedeutet, die größere Anwendungsbereiche mit Produkten verschiedener Marken abdecken, muss sich erst noch zeigen.

Ubisys Gateway G1 mit Endgeräten
Die Bridge-Fuktionen des G1-Gateways hängen vom Ökosystem ab. ©matter-smarthome.de

Das Gateway G1 von Ubisys ist solch ein Exemplar. Die Zigbee-Zentrale des deutschen Gebäudeausrüsters aus Düsseldorf kommt in Kundenprojekten auf der ganzen Welt zum Einsatz und war im vergangenen Winter die erste zertifizierte Matter-Bridge überhaupt. Ihre Zertifizierung sorgt allerdings nicht dafür, dass die Bridge auf allen Matter-Plattformen einen vergleichbaren Funktionsumfang bietet.

Aktuell erhalten Anwender, die das Gateway integrieren, je nach Matter-Controller unterschiedliche Ergebnisse. Am umfassendsten ist die Unterstützung auf Apple-Produkten. In Google Home fehlen einige Geräte – etwa Funktaster – oder sind in der App nicht als Auslöser für Abläufe konfigurierbar. Das betrifft im Testaufbau von matter-smarthome zum Beispiel einen Zigbee-Deckensensor der Marke Nyce.

Verbunden, aber nicht verfügbar: Produkte am G1-Gateway in der SmartThings-App. ©matter-smarthome

Bei SmartThings erscheinen zwar alle Produkte in der App – vom Green-Power-Taster mit EnOcean-Technologie über Schalt- und Dimmaktor von Ubisys (S1 /D1) bis zum Heizkörperregler H1. Sie haben aktuell jedoch keine Funktion (siehe Bild oben). Alexa erkennt im Praxistest lediglich den H1-Regler und den Nyce-Sensor, beide lassen sich auch wie erwartet nutzen. Die übrigen Produkte der Ubisys-Bridge glänzen auf Controllern von Amazon aber durch Abwesenheit.

Bridges: die große Wundertüte

Die Erfahrungen sind auf andere Matter-Bridges übertragbar. So lässt sich etwa ein Aqara-Hub M2 in der Amazon-App hinzufügen, sein verbundener Temperatur- / Feuchtigkeitssensor bleibt Alexa allerdings verborgen. SmartThings erkennt den Kombi-Fühler, empfängt aber keine Messungen von ihm, lediglich die Batterieanzeige ist zu sehen (Bild unten). In den Apps von Apple und Google stehen dagegen beide Messwerte zur Verfügung – als Anzeige am Bildschirm und als Auslöser für Automationen.

Aqara-Sensor in den Apps von SmartThings (links) und Google (rechts). ©matter-smarthome

Kommende Software-Updates werden diese Diskrepanzen bestimmt lösen, wenn die Hersteller weiterhin eng zusammenarbeiten. Bis dahin bleibt die Bridge-Integration allerdings eine Wundertüte – und das Matter-Logo so verbindlich wie eine Abbildung im Kochbuch oder das Foto auf einer Dose Ravioli. Das fertige Gericht kann appetitlich aussehen wie auf dem Serviervorschlag – es muss aber nicht.

Damit verfehlt Matter sein vielleicht wichtigstes Ziel: Aktuell ist eine Bridge mit dem Matter-Logo eben nicht in allen Ökosystemen gleichermaßen verwendbar. Es bedarf weiterer Kennzeichnungen, die den Funktionsumfang beschreiben – etwa in Form von Kompatibilitätslisten oder durch zusätzliche Zertifizierung. Amazon, Apple, Google und SmartThings bieten entsprechende Programme mit ihren „Works with …“-Logos an. Aber sollte Matter nicht zumindest den Basisumfang herstellerübergreifend absichern?

Aqara Hub M2 mit Sensor und Smartphone
Der Aqara-Hub M2 mit verbundenem Temperatur-/Luftfeuchte-Sensor. ©matter-smarthome

Dr. Arasch Honarbacht, Geschäftsführer von Ubisys, sieht hier einigen Nachholbedarf: „Matter hat sein Versprechen bedenkenloser Kompatibilität erst dann vollständig erfüllt, wenn alle »Works with…«-Programme für zertifizierte Matter-Geräte überflüssig geworden sind“. Aus seiner Sicht heißt das konkret, „dass die Controller bei der Zertifizierung stärker unter die Lupe genommen werden müssen als bisher. Sie sollten zumindest grundlegende Funktionen für alle von Matter offiziell unterstützten Geräte vorweisen“, so Honarbacht gegenüber matter-smarthome.

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