Drei Rollos der Eve Motionblinds Collection, fertig montiert.

Sonnenschutz: Beschattung im Matter-Standard

Rollos und Jalousien waren von Anfang im Matter-Standard vorgesehen. Bereits Version 1.0 der Spezifikationen enthielt den sogenannten Cluster für „Window Covering“, in dem Dinge wie das Auf und Ab, die Position des Rollladens oder auch der Neigungswinkel von Lamellen definiert sind. Verschiedene Hersteller machen inzwischen Gebrauch davon. So hat etwa Eve Systems neben seinem Rohrmotor zum Nachrüsten von Innenrollos auch eine Eve Blinds Collection aufgelegt – mit maßgefertigten Fensterbehängen, die sich im Internet bestellen lassen (link).

Matter-Funkantrieb mit Thread

Coulisse aus den Niederlanden nutzt dieselbe MotionBlind-Technologie zur Matter-Unterstützung seiner Fachhandelsprodukte. Die holländische Marke offeriert ein riesiges Sortiment an Fensterverkleidungen – von Rollos über Plissees und Jalousien bis hin zu Vertikallamellen und Vorhängen (link). Wer selbst montieren kann (oder will), findet Produkte beim texanischen Unternehmen SmartWings, das Matter-Antriebe als zusätzliche Option neben seinen Motoren für Zigbee, Z-Wave & Co in den Katalog aufgenommen hat (link).

Das Eve MotionBlinds Upgrade Kit rüstet Rollos mit einem Matter-fähigen Funkmotor nach. Bild: Eve
Die Antriebswelle des akkubetriebenen Motors kommt in ein vorhandenes Rollo. Bild: Eve
Das Rollo wird anschließend wieder in die montierte Halterung eingeklickt. Bild: Eve
Zum Laden des Akkus dient ein handelsübliches USB-C-Kabel. Bild: Eve
Der QR-Code zur Matter-Inbetriebnahme befindet sich an der Bedienkette des Antriebs. Bild: Eve

Dank integrierter Akkus benötigen diese Nachrüstlösungen keinen Stromanschluss. Den Kontakt zur Steuerung stellen Funksignale her. Das verwendete Thread-Protokoll („Matter over Thread“) erübrigt auch die Installation weiterer Hardware. Ein Border Router von Amazon, Apple, Google, Smartthings – oder ein vergleichbares Produkt – genügt zum Betrieb.

Der Akku zum Vorhang-Antrieb von Coulisse hängt versteckt hinter dem Stoff. Als Funkprotokoll dient Thread.

Matter-Funkantrieb mit WLAN

Alternativ bieten sich Motoren an, die das WLAN-Netzwerk des Routers für ihre Verbindung nutzen („Matter over WiFi“). Hersteller wie Zemismart (link) haben solche Antriebe im Programm. Weil der WLAN-Chip beim Senden und Empfangen mehr Energie benötigt als ein Thread-Produkt, handelt es sich in der Regel um fest verkabelte Motoren mit 240- oder 120-Volt-Netzanschluss. Am Installationsort sollte sich daher eine Steckdose befinden oder – noch besser – ein Stromverteiler in der Wand, den der Elektriker anzapfen kann.

Systeme mit eigener Matter-Bridge

Dritte Möglichkeit: eine Sonnenschutz-Lösung mit Matter Bridge. Das Funkprotokoll des Beschattungssystems ist dabei aus Sicht des Standards egal – es kann sich um Bluetooth, Dect, Zigbee, Z-Wave oder ein eigenes, proprietäres Protokoll handeln. Die Matter-fähige Bridge übersetzt den internen Datenverkehr und leitet die benötigten Informationen an Matter-Plattformen weiter.

Anbieter wie die Schoenberger Group aus Deutschland gehen diesen Weg. Das hauseigene Label Jalousiescout (link) hat dafür eine Bridge entwickelt („JS Bridge“), die Sonnenschutzprodukte der beiden Schoenberger-Marken Jarolift und Julius Mayer mit Matter verbindet. Sie entstand in Zusammenarbeit mit dem Smarthome-Spezialisten Mediola, der seinerseits eine Bridge für das Funksystem RTS von Somfy anbietet (link). Aqara, Ubisys und Zemismart reichen Beschattungsprodukte aus ihren eigenen Zigbee-Systemen via Bridge-Funktion an Matter-Plattformen weiter. SwitchBot tut dasselbe mit seinen Vorhang- und Rollo-Antrieben, die auf Bluetooth-Funk basieren.

Die Bridge von Jalousiescout verbindet Jarolift- und Julius-Mayer-Produkte mit Matter. Bild: Schoenberger
Zum Jarolift-Sortiment gehören auch Motoren für den Markisenantrieb. Bild: Schoenberger
Der SwitchBot Hub reicht verbundene Bluetooth-Produkte an Matter-Systeme weiter. Bild: SwitchBot
So lassen sich via SwitchBot Hub auch Vorhänge per Akku-Antrieb bewegen. Bild: SwitchBot
Die Beta-Software des Smarthome-Gateways von AVM unterstützt Ikea-Rollos. Bild: AVM
In Zukunft wird auch Ikeas eigener Hub die Rollos des Unternehmens Matter-fähig machen. Foto: Ikea

Weitere potenzielle Kandidaten für diese Aufzählung wären Bosch und Ikea. Deren Smarthome-Zentralen unterstützen Matter bereits, klammern Beschattungsprodukte aber aktuell noch aus. Nur Licht (Ikea) oder Strom und Heizung (Bosch) werden weitergereicht. Heißt für Nutzer smarter Ikea-Rollos oder der Bosch-Aktoren für die Rollladensteuerung: Zur Bedienung ist die App des jeweiligen Systems nötig – oder eine der klassischen Smarthome-Integrationen ohne Matter. Tipp für Experimentierfreudige: Zum Smarthome-Gateway von AVM gibt es eine Beta-Software, die kompatible Zigbee-Produkte an Matter-Ökosysteme weiterreicht – inklusive der Verdunkelungsrollos und Faltjalousien aus dem Hause Ikea (Fyrtur, Praktlysing, Tredansen).

Unterschiede in der Bedienung

Dass Anbieter mit der Markteinführung zögern, kann verschiedene Ursachen haben. Ein möglicher Grund: Die Nutzererfahrung auf Seiten der Matter-Plattformen ist etwas uneinheitlich. Amazon, Apple, Google & Co unterstützen zwar alle den Cluster für Window Covering. Ihre Einstellmenüs variieren jedoch, was bei abwechselndem (oder gleichzeitigem) Einsatz der Ökosysteme für Verwirrung sorgen kann – und die Gefahr birgt, dass mehr Kunden beim Support landen.

Ein Beispiel: Amazon Alexa versteht unter dem Öffnungsgrad (in der deutsch lokalisierten App mit einem Tippfehler „Ãffnungsgrad“ genannt) denjenigen Teil der Fensterfläche, der vom Rollladen bedeckt ist. Im Bildbeispiel unten: 26 Prozent. Apple, Google oder SmartThings interpretieren die Öffnung genau andersherum: Für sie ist die freibleibende Fläche von 74 Prozent relevant und erscheint folglich in der App. Entsprechend unterschiedlich reagieren auch die Sprachassistenten.

Amazon Alexa gibt die bedeckte Fläche an (26%), die anderen drei Plattformen den offenen Bereich (74%)
Amazon Alexa gibt die bedeckte Fläche an (26%), die anderen drei Plattformen den offenen Bereich (74%)

Selbst scheinbar eindeutige Zustände wie „auf“ oder „zu“ lassen Raum für Interpretationen. So gilt eine horizontale Markise als Sonnenschutz auf der Terrasse normalerweise als geschlossen, wenn sie vollständig eingefahren ist. Hängt das Tuch jedoch vertikal vor einem Fenster würden viele Menschen diesen Zustand als geöffnet betrachten. Schließlich kann man ungehindert nach draußen sehen.

Im Idealfall gibt es Einstellungen, mit denen sich dieser Status nach Belieben umkehren lässt. In den Apps von Amazon, Apple, Google & Co existieren solche Optionen derzeit aber nicht, weshalb Matter-Einsteiger lernen müssen, was „auf“ und „zu“ in ihrem Fall bedeutet.

Große B2B-Anbieter zögern noch

Professionelle Gebäudeausstatter aus der Rollladen- und Sonnenschutzbranche scheuen den Einsatz von Matter noch aus einem anderen Grund: Die Fachbetriebe installieren ihre Produkte häufig zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Rohbauphase – wenn es weder Internet noch WLAN oder oder eine funktionierende IP-Infrastruktur im Haus gibt. Und schon gar keinen Border Router, mit dem sich Thread-Motoren in Betrieb nehmen lassen würden.

Obendrein müsste dieses Commissioning ja mit dem Smartphone eines Kunden geschehen, weil neu hinzugefügte Produkte in das Matter Fabric des Nutzers integriert werden. Eher unwahrscheinlich, dass dieser auf die Baustelle kommt und sein Telefon dem Handwerker leiht, damit die Rollläden wunschgemäß funktionieren. Und was passiert bei einem Eigentümer- oder Mieterwechsel?

Matter-Prototypen des Gebäudeausrüsters Warema – ausgestellt auf der Light & Building 2024.

An Lösungen wird gearbeitet. 1home etwa plant ein System für Installateure, mit dem der Fachbetrieb Matter-Produkte vor dem Einbau konfigurieren kann, um sie später gesammelt zu übergeben – ohne das Smartphone seines Kunden überhaupt anfassen zu müssen (link). Andere Unternehmen können sich eine Art „kalte“ Inbetriebnahme vorstellen: Der Installateur bereitet den Antrieb auf der Baustelle per Bluetooth mit seinem Smartphone vor und erstellt eine Dokumentation samt QR-Code. Nach dem Einzug müssten Bewohner diesen Code nur noch scannen, um das Matter-Produkt in ihre private Smarthome-App zu übernehmen.

Bis es praktikable Profi-Lösungen gibt, wird aber noch etwas Zeit ins Land gehen. Das erklärt, warum große Anbieter wie Somfy aus Frankreich oder die deutsche Warema Group es nicht sehr eilig haben. Zumal diese Firmen über gut eingeführte und funktionierende Beschattungssysteme, Tor- und Garagenantriebe verfügen. Was nicht bedeutet, dass sie das Thema völlig ignorieren. Warema hat auf verschiedenen Fachmessen bereits Prototypen gezeigt, der Antriebsspezialist Becker ebenfalls. Somfy war von Anfang an auf der Liste der Matter-Unterstützer, hält sich allerdings bedeckt und verrät bislang nichts über eigene Entwicklungen.

Prototyp eines Rohrmotors mit Thread-Funk von Becker – gezeigt auf der Fachmesse R+T 2024 in Stuttgart.

So findet der Einzug von Matter vorerst im Nachrüstmarkt statt. Bei Innenrollos, Jalousien und Vorhängen, die in Bestandsgebäuden montiert werden und wenig Installationsaufwand verlangen. Und bei Anwendern, die von den Vorteilen einer smarter Beschattung nicht erst überzeugt werden müssen. Anders als die traditionelle und manchmal sehr konservative Rollladen- oder Sonnenschutzbranche.

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