Die Euphorie über den Smarthome-Standard Matter hat zuletzt etwas nachgelassen. Langsame Adaption der Spezifikationen und Anlaufschwierigkeiten mit dem Funkprotokoll Thread sorgten für Frust bei Anwendern und Herstellern. Ein paar positive Nachrichten können also nicht schaden. Und in der Tat: Die Ankündigung der Connectivity Standards Alliance zur Matter-Version 1.4 (link) liest sich so, als würden damit wichtige Kritikpunkte angegangen.
Verbesserungen für Thread-Netzwerke
Matter 1.4 – veröffentlicht am 7. November 2024 – enthält eine neue Produktkategorie, die den Aufbau von Funknetzen mit dem Thread-Protokoll vereinfachen soll. Thread ist im Matter-Standard neben WLAN für drahtlose Verbindungen vorgesehen, bislang aber kaum verbreitet. Wie Nanoleaf-CEO Gimmy Chu in unserem Interview erklärte, erfüllen nur wenige Haushalte die technischen Voraussetzungen dafür oder wissen überhaupt, was Thread ist.
Mit den neuen Home Routern und Access Points (HRAP) aus Matter 1.4 könnte dieses Vorwissen in Zukunft nicht mehr notwendig sein. Die Geräteklasse kombiniert WLAN-Zugangspunkt und Thread Border Router in einem Gehäuse. Ein HRAP soll in verschiedener Gestalt auftreten können: zum Beispiel als WLAN-Router für das Heimnetzwerk, Internet-Modem, Wi-Fi-Access-Point oder Set-Top-Box. Wichtig ist die Kombination beider Funkprotokolle, sodass die Unterstützung sämtlicher drahtloser Matter-Produkte im Haushalt gewährleistet ist.
Ein Matter-zertifizierter HRAP soll aber noch mehr können: Er verfügt über ein gesichertes Verzeichnis, in dem die Zugangsdaten zum Thread-Netzwerk abgelegt werden. Damit gibt es erstmals einen standardisierten Speicherort für diese sogenannten Credentials. Bislang war nicht einheitlich geregelt, wie zusätzliche Border Router einem bestehenden Thread-Netzwerk beitreten können. Die Plattformen von Apple über Google und Home Assistant bis SmartThings haben eigene Lösungen dafür entwickelt. Schlug deren Einsatz fehl oder gab es Bedienungsfehler, bauten die neuen Border Router separate Funknetze auf. Das führte zu fragmentierten, lückenhaften Funk-Inseln anstelle eines starken, gemeinsamen Mesh-Netzwerks.
Mit dem HRAP soll Matter außerdem Verbesserungen umsetzen, die in Thread 1.4 vorgesehen sind. Anfang September 2024 hat die für das Funkprotokoll zuständige Thread Group ihr jüngstes Release veröffentlicht (link) und darin standardisiert, wie Geräte sich gegenseitig erkennen und vertrauen. Dass Thread 1.4 dieselbe Versionsnummer trägt wie Matter 1.4 ist übrigens Zufall. Beide Standards entwickeln sich parallel und weitgehend unabhängig voneinander.
Wie die Umsetzung der HRAP-Spezifikationen in der Praxis aussieht, will die Connectivity Standards Alliance in weiteren Blog-Beiträgen verraten, die auf der Website der CSA erscheinen sollen. Das gilt auch für eine zweite Neuerung in Matter 1.4, über die aktuell nur wenig bekannt ist: „Enhanced Multi-Admin“.
Paralleler Einsatz mehrerer Matter-Systeme
Multi-Admin zählt zu den großen Vorteilen von Matter. Die Funktion erlaubt eine parallele Bedienung von verschiedenen Systemen aus. So können Familienmitglieder ein installiertes Matter-Produkt wahlweise über Amazon Alexa, Apple Home, Google Home oder andere kompatible Plattformen steuern. Allerdings funktioniert dieser Multi-Admin-Betrieb nicht ohne Weiteres. Die Geräte müssen aus dem Ökosystem, in dem sie eingerichtet wurden, zuerst für andere freigegeben werden.
Weil dabei jede Plattform etwas anders vorgeht, kann der Prozess verwirrend sein: Mal erscheint ein QR-Code am Bildschirm, mal eine Ziffern-Kombination. Mal assistiert die App mit ausführlichen Anweisungen und bietet kompatible Zielsysteme an, mal nicht. Dass jedes Produkt einzeln und für jede gewünschte Verbindung erneut in einen Kopplungsmodus versetzt werden muss, macht das Ganze nicht einfacher.
Darum führt Matter 1.4 nun ein „verbessertes Multi-Admin“ ein. Es soll die Abfragen in einer zentralen Benutzergenehmigung bündeln. Bestehende und neue Geräte verbinden sich danach automatisch mit mehreren Ökosystemen. Wie das genau abläuft, geht aus der Ankündigung nicht hervor – und wegen des CSA-Member-Meetings in Budapest war kurzfristig kein Sprecher zu erreichen. Befragte Hersteller mochten der Allianz nicht vorgreifen. Auch hier sind Folgebeiträge im Blog der CSA geplant.
Erweitertes Energiemanagement
Mit Matter 1.3 hielt erstmals das Energiemanagement Einzug in den Standard. Software-Cluster erlauben die Messung und Übertragung von Verbrauchsdaten, Ladesysteme für Elektroautos können intelligent gesteuert werden. Die Spezifikationen in Version 1.4 erweitern diese Möglichkeiten. Sie fügen Gerätekategorien hinzu, die für ein Energiemanagement-System (EMS) essenziell sind:
- Solaranlagen mit darin enthaltenen Gerätetypen wie Wechselrichtern, Photovoltaik-Paneelen und hybriden Solar-/Batteriesystemen.
- Batterien, wie sie in Stromspeichern, Batteriewänden oder Speichersystemen (BESS) vorkommen, um Energie zu puffern und bei Bedarf zu entladen.
- Wärmepumpen für die Heizung oder Kühlung, deren Betrieb in Nebenzeiten außerhalb der Nachfragespitzen verlagert werden kann.
- Warmwasserbereiter mit Heizplänen, die sich bei Bedarf überschreiben lassen, um ein schnelles Aufheizen zu ermöglichen.
Hinzu kommen offenbar Verbesserungen bei den Elektrofahrzeug-Ladegeräten (EVSE) und der Heizungsregelung. Thermostat-Cluster unterstützen nun Zeitpläne und Voreinstellungen für An- und Abwesenheit oder Urlaub. Außerdem gibt es einen neuen „Device Energy Management Mode“, der den Energiefluss in drei Stufen optimiert: gerätespezifisch, lokal im Gebäude oder auf das öffentliche Energienetz bezogen.
Detailverbesserungen in Matter 1.4
Wie in jeder neuen Version wurde auch diesmal wieder an Details geschraubt. So führt Matter 1.4. zwei neue Gerätetypen für Unterputz-Installationen ein. Sie schalten den Strom und bieten eine dimmbare Laststeuerung für Ventilatoren oder andere nicht smarte Geräte. Bislang wurde diese Funktion meist über Licht-Cluster realisiert, was zu Einschränkungen auf der Bedienoberfläche und bei der Automatisierung führte – weil verbundene Produkte als Lampen im Matter-System erschienen.
Für eine bessere Anwesenheitserkennung unterstützt der Sensor-Cluster nun Technologien wie Radar und soll eine anpassbare Empfindlichkeit bieten. Um die Batterielebensdauer von „Sleepy Devices“ wie Funktastern, Temperatur- und Bewegungssensoren zu verbessern, wurde das Long Idle Time-Protokoll (LIT) aktualisiert. Es erlaubt Geräten, über längere Zeit zu schlafen und dabei weniger Energie zu verbrauchen. Bei vorhersehbaren Zustandsänderungen wird außerdem der Netzwerkverkehr reduziert, was die Effizienz weiter verbessert.
Bis die Spezifikationen in marktfähige Produkte münden, können erfahrungsgemäß viele Monate vergehen. Außerdem dauert es, ehe auch Matter-Plattformen wie Amazon Alexa oder Apple Home die Neuerungen mit einem Software-Update nachliefern. Wenn sie es überhaupt tun, denn von Seiten des Standards gibt es hier keine Pflicht, alles umzusetzen. Zuletzt haben Samsung SmartThings und Home Assistant ihre Hubs auf Matter 1.3 aktualisiert. Andere Ökosysteme befinden sich auf einem noch früheren Software-Stand.
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