Handwerker arbeiten an einem Matter-Haus 2025

Der Matter-Standard 2025 – eine Bestandsaufnahme

Vor einem Jahr ist hier im Blog ein Beitrag über die Baustellen im Matter-Standard erschienen. Er machte eine erste Bestandsaufnahme. Wo Nachholbedarf in der Umsetzung des Standards besteht – und was passieren sollte, damit Matter sein Versprechen einlöst: eine unkomplizierte, selbsterklärende und herstellerübergreifende Lösung für das Smarthome zu werden. Mittlerweile ist viel passiert. Hersteller und Standardisierungsorganisation haben mit Hochdruck an Lösungen gearbeitet. Doch wo stehen wir 12 Monate später? Schauen wir uns die Themen noch einmal an.

Thread und Border Router: Lösungen in Sicht

Bisherige Situation: Matter sieht das Thread-Protokoll als zweiten Funkstandard neben WLAN vor. Sein Mesh-Netzwerk reagiert schnell, benötigt wenig Energie und wächst mit den Anforderungen. Im Unterschied zu schon länger etablierten Alternativen wie Zigbee arbeitet es IP-basiert (IPv6), was den Austausch von Informationen im Smarthome erleichtert. Doch Thread hatte einen holprigen Start.

Zu Beginn verfügten nur wenige Haushalte über einen der nötigen Border Router, um Produkte mit dem heimischen Netzwerk zu verbinden. Und Thread Border Router verschiedener Hersteller machen sich teilweise Konkurrenz. Sie spannen eigene Netzwerke auf, statt ein gemeinsames Mesh zu bilden. Mit dem Effekt, dass Geräte unzuverlässig reagieren oder nur für bestimmte Apps erreichbar sind. Das alles hat die Verbreitung des Funkprotokolls behindert und ihm Kritik eingebracht. Manche Hersteller setzten die Einführung neuer Thread-Produkte sogar aus.

Lösungsansatz: Um ein gemeinsames Mesh aufzubauen, müssen Border Router untereinander kommunizieren. Wie in einem WLAN mit mehreren Access Points oder Repeatern ist dabei der Austausch von Zugangsdaten nötig, damit alle Geräte demselben Funknetzwerk beitreten. Die Übertragung dieser „Thread Credentials“ kann auf verschiedene Art und Weise geschehen.

Ohne geteilte Thread-Credentials entstehen parallele Mesh-Netzwerke. Bild: matter-smarthome

Der bisherige Weg führt über das Betriebssystem auf dem Smartphone: Apple und Google speichern Zugangsdaten in ihrer Software und machen sie Android- oder iOS-Apps beim Einrichten von Geräten zugänglich. Dazu muss die App des Herstellers diesen Ansatz jedoch unterstützen. Tut sie es nicht, tritt der Border Router keinem vorhandenen Netzwerk bei, sondern baut stattdessen sein eigenes auf. Amazon etwa speichert WLAN- und Thread-Zugangsdaten auf den Servern des Unternehmens, statt Bordmittel von Android und iOS dafür zu nutzen.

Mit der Thread-Group und der Connectivity Standards Alliance (CSA) haben sich beide zuständigen Normierungsgremien dieser Problematik angenommen. Im September 2024 veröffentlichte zunächst die Thread-Group ein Update ihres Funkprotokolls. Mit Thread 1.4 (link) kann ein Border Router seine Zugangsdaten auf Nachfrage mit anderen teilen – unabhängig vom Smartphone-Betriebssystem oder der verwendeten Matter-Plattform.

Im November 2024 folgte die CSA und präsentierte die Spezifikationen von Matter 1.4. Darin ist der neue Gerätetyp HRAP enthalten, eine Abkürzung für „Home Router und Access Point“. Entsprechend zertifizierte Geräte sollen über einen sicheren Speicherbereich verfügen, in dem die Thread Credentials abgelegt werden. Damit Apps und neue Geräte beim Einrichten darauf zugreifen können.

Erfolgsaussichten: Neben den Programmierschrittstellen (APIs) von Android und iOS gibt es künftig zwei weitere Möglichkeiten, um Thread Credentials auszutauschen. Beide sind standardisiert und herstellerunabhängig. Das dürfte auch Anbieter überzeugen, die bislang vor einer Apple- oder Google-Lösung zurückschrecken, weil sie lieber unabhängig bleiben.

Für Thread 1.4 müssen vorhandene Border Router ein Software-Update erhalten oder durch neue, kompatible Geräte ersetzt werden. Die Thread-Group rechnet damit, dass dieser Übergang schnell geht: „Wir haben einige Richtlinien aufgestellt, nach denen wir (von den Ökosystemen) erwarten, dass sie 1.4 einführen. Und wir haben nicht viel Gegenwind bekommen“, erklärte Vividh Siddha, Präsident der Thread Group, im Interview mit „The Verge“ (link). Das rasche Auslaufen früherer Thread-Generationen soll den Umstieg zusätzlich beschleunigen.

Bis zertifizierte HRAPs in ausreichender Zahl zur Verfügung stehen, könnte mehr Zeit vergehen. Es ist denkbar, dass die Matter-Ökosysteme zwei oder drei Methoden parallel unterstützen. Wie sie die Freigabe der Anmeldeinformationen gestalten, bleibt ihnen überlassen. Vividh Siddha geht laut „The Verge“ von einem Bildschirmdialog aus: „Ich erwarte, dass es mindestens einen Schritt geben wird, an dem der Nutzer beteiligt ist, ähnlich wie bei der Freigabe von WLAN-Zugangsdaten“. Soll heißen: Das System fragt, ob der Zugang gewünscht wird, und Nutzer geben ihr o. k. dazu.

Multi-Admin: Verbesserungen in Matter 1.4

Bisherige Situation: Die Matter-Ökosysteme gestalten den Einrichtungsprozess von Geräten unterschiedlich. Das fällt besonders auf, wenn mehrere davon im Spiel sind: im Multi-Admin-Betrieb. Eine der Errungenschaften des Standards besteht darin, installierte Geräte über Plattformen hinweg zu teilen – und zwar so, dass sie gleichzeitig von Alexa, Apple Home, SmartThings oder einem anderen Matter-fähigen System gesteuert werden können.

Ebendieses Teilen macht die Sache jedoch kompliziert. Weil Sensoren und Aktoren, Leuchten, Saugroboter oder Bridges einzeln autorisiert werden müssen. Dabei durchläuft jedes Gerät wieder einen Freigabeprozess mit Code, wie bei der ersten Inbetriebnahme. Nur dass dieses Mal der QR- oder Zifferncode individuell vom Ökosystem erzeugt und in seiner App dargestellt wird – eine Folge der strengen Sicherheitsrichtlinien, die nur verschlüsselte Verbindungen erlauben.

Screenshots aus den Apps von Google, SmartThings, Apple und Amazon
Freigaben für andere Matter-Systeme in den Apps der vier großen Plattformen. Bild: matter-smarthome

Lösungsansatz: Mit den Spezifikationen von Matter 1.4 hat Multi-Admin dazugelernt. Ein Fabric – wie das sichere Netzwerk von Matter-Ökosystemen unter Entwicklern heißt – kann nun mit anderen kommunizieren. Erhält es vom Nutzer die Erlaubnis zum „Fabric Sync“, tauchen seine verbundenen Geräte auch auf der gewünschten Ziel-Plattform auf. Wiederholte Freigabeschritte und Codeeingaben entfallen. „Enhanced Multi-Admin nennt die CSA dieses verbesserte Verfahren.

Erfolgsaussichten: Technische Voraussetzung für Enhanced Multi-Admin ist die Unterstützung von Matter 1.4 in den Ökosystemen. Home Assistant hat mit der Umsetzung dieser Version begonnen, die SmartThings-Entwickler arbeiten ebenfalls daran. Doch erst, wenn auch Amazon, Apple, Google und andere Plattformen so weit sind, kann die Funktion ihr volles Potenzial entfalten. Erfahrungsgemäß dauert so etwas, aktuell sind viele noch mit dem Umstieg von Version 1.2 auf 1.3 beschäftigt.

Es dürfte aber nur eine Frage der Zeit sein, bis das neue Feature zum Standard in allen Systemen wird. Wie diese es in der Praxis umsetzen, bleibt abzuwarten. Denn idealerweise sollten geteilte Geräte gleich mit ihrem zugewiesenen Namen auf der Ziel-Plattform erscheinen. Sonst ist wieder Handarbeit nötig und jedes Gerät muss in der App einzeln angefasst werden, um die Bezeichnung zu ändern.

Ökosysteme: weiterhin für Überraschungen gut

Bisherige Situation: Nanoleaf CEO Gimmy Chu hat ausgesprochen, was viele denken: „Es ergibt keinen Sinn, dass nicht alle Matter Controller alle Matter-Produkte steuern“. Trotzdem passiert es: Geräte funktionieren unterschiedlich, je nachdem, mit welcher Plattform sie verbunden sind. Die lückenhafte Umsetzung des Standards sorgt für Verwirrung bei Verbrauchern. Weil – entgegen ihren Erwartungen – das Matter-Logo kein Freifahrtschein für den Betrieb auf allen Matter-fähigen Plattformen ist.

Aktuelles Beispiel: Der Tür-/Fensterkontakt aus der Baureihe [+M] von Bosch hat zusätzlich einen Taster auf dem Gehäuse. Er könnte in Matter-Systemen als zwei funktionsfähige Geräte erscheinen: Öffnungskontakt und Tastsensor. Wie der Test auf digitalzimmer.de (link) zeigt, ist dies bei Alexa, Apple Home sowie Home Assistant auch der Fall. In Google Home steht jedoch kein Funktaster zur Verfügung, in SmartThings fehlt der Öffnungskontakt.

Und dort, wo Geräte erwartungsgemäß erscheinen, kann ihr Funktionsumfang variieren. So werden Mehrfach-Taster häufig als Solo-Schalter erkannt. Manche Systeme registrieren den einfachen, doppelten oder langen Tastendruck, andere machen diesbezüglich keinen Unterschied. Bei Jalousien lässt sich auf manchen Systemen kein Öffnungswinkel der Lamellen einstellen und so weiter.

Ein Matter-zertifiziertes Produkt kann sich auf den Plattformen unterschiedlich verhalten. Bild: matter-smarthome

Lösungsansatz: Da die Plattformen selbst entscheiden, wie schnell und umfassend sie den Standard umsetzen, gibt es kein gemeinsames Vorgehen. Jedes Ökosystem veröffentlicht dann, wenn es so weit ist. Das gilt für Gerätetypen wie für deren Funktionsumfang. Es heißt also abwarten und geduldig sein.

Erfolgsaussichten: Die fortschreitende Entwicklung und Verbreitung des Matter-Standards wird das Problem entschärfen. Irgendwann dürften alle Systeme die wichtigsten Produkte unterstützen. Dann nivellieren sich Unterschiede und der Funktionsumfang reicht für die meisten Anwendungen aus. Lediglich Extras, die in neuen Matter-Versionen eingeführt werden, benötigen dann wieder etwas Zeit.

Matter-Zertifizierung: einfacher und preisgünstiger

Bisherige Situation: Ein Matter-zertifiziertes Produkt auf den Markt zu bringen, kostet den Hersteller Geld. Er muss in die Entwicklung investieren, ein autorisiertes Testlabor (ATL) mit der Prüfung beauftragen und eine Gebühr an die CSA entrichten. Bei Produktvarianten, etwa für verschiedene Märkte, erhalten diese jeweils eigene Zertifikate. Dafür gibt es spezielle, im Preis reduzierte Verfahren (Product Family Certification und Certification by Similarity), die aber komplex sind.

Noch mehr störte viele Anbieter die kostenpflichtige Rezertifizierung: Geräte, die eine neue Software-Version erhalten, mussten bislang den Prozess ein weiteres Mal durchlaufen, was Kosten im fünfstelligen Bereich nach sich zog. Dabei war egal, ob es sich um Sicherheits-Updates handelte oder neue Features. Die Matter-spezifischen Teile der Firmware mussten nicht einmal betroffen sein. Sie konnten unverändert bleiben und trotzdem eine erneute Prüfpflicht auslösen.

Der zeitliche und finanzielle Aufwand schreckte vor allem kleinere Unternehmen ab. Hinzu kam die Gefahr, dass Hersteller ihre zertifizierten Produkte nicht mehr aktualisieren, um Kosten zu sparen. Ohne Updates kann sich Matter im Markt aber schwer weiterentwickeln. Wozu neue Spezifikationen veröffentlichen – Matter 1.4, 1.5, 1.6 – wenn die installierte Basis auf den Vorversionen steckenbleibt?

Lösungsansatz: Zur CES im Januar 2025 hat die Connectivity Standards Alliance ihre Richtlinien überarbeitet und zwei neue Programme verabschiedet. Das Portfolio-Programm vereinfacht die Zertifizierung ähnlicher Produkte, weil künftig nur noch ein „Elternteil“ den kostenpflichtigen Prozess durchläuft. Es enthält bereits den Code aller möglichen Familienmitglieder. Diese „erben“ ihre Zulassung vom Hauptzertifikat.

Das Fast-Track-Programm beschleunigt die Rezertifizierung von Matter-Produkten und senkt gleichzeitig die Kosten. Statt wie früher das aktualisierte Produkt an ein kostenpflichtiges ATL zu senden, überprüft der Hersteller es mit CSA-Software selbst. Geschulte Mitarbeiter führen Tests durch und reichen ihre Protokolle an die Connectivity Standards Alliance weiter. Diese erteilt ohne weitere Gebühren das Zertifikat. Eventuelle Checks können nachträglich stattfinden und verzögern die Markteinführung nicht.

Erfolgsaussichten: Alle Hersteller, mit denen matter-smarthome.de gesprochen hat, begrüßen die Entwicklung. „Am wichtigsten: Es handelt sich um keine Absichtserklärungen“, erklärt Tim Böth, Head of Brand & Business Initiatives von Eve Systems. „Fast alle Neuerungen wurden direkt mit ihrer Ankündigung implementiert. Unter Berücksichtigung der Trainings-Anforderungen sind FastTrack- und Portfolio-Zertifizierungen jetzt schon möglich.“

Christopher Zoggolis, Business Development bei Mediola sieht ebenfalls Vorteile in der neu gefassten Rezertifizierung: „Die externen Kosten sinken praktisch auf Null“. Ein entscheidender Kritikpunkt an der bisherigen Prozedur fällt somit weg. Es scheint, als habe die CSA auf Einwände ihrer Mitglieder gehört. Jetzt müssen diese nur noch liefern.

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