Um es vorwegzunehmen: „Matter over Bridge“ ist kein offizieller Begriff. Im herstellerübergreifenden Smarthome-Standard Matter ist diese Formulierung gar nicht vorgesehen. Sie entstand in den Marketing-Abteilungen einiger Hersteller, um Produkte damit zu kennzeichnen. Und zwar solche Geräte, die selbst nicht Matter-zertifiziert sind, über eine zertifizierte Bridge aber mit Plattformen wie Amazon Alexa, Apple Home, Google Home und SmartThings verbunden werden können.
Die Bridge im Matter-Standard
Eine Matter Bridge ist genau für diesen Zweck gemacht: Sie schlägt die Brücke von unzertifizierten Sensoren, Aktoren oder anderen Geräten in die neue Matter-Welt. Die Väter des Standards wollten damit einen möglichst reibungslosen Übergang ermöglichen: Nutzer, die bereits viel Geld in Smarthome-Produkte investiert hatten, sollen nicht zu einem Neuanfang gezwungen werden. Ihr bestehendes System, so ihre Idee, findet durch die Matter-Bridge Anschluss.

Typische Einsatzbeispiele sind Lösungen wie Philips Hue, Ikea oder oder SwitchBot. Indem der Hersteller seine Hue-Bridge, das Dirigera-Gateway oder den SwitchBot-Hub in eine Matter-Bridge verwandelt, macht er die verbundenen Geräte kompatibel. Was wahrscheinlich nicht im Sinne der Erfinder lag: Dass manche Anbieter damit beginnen würden, auch klassische Sensoren, Aktoren und andere Endgeräte als Matter-fähig zu bewerben, obwohl diese gar nicht die technischen Voraussetzungen mitbringen – erst die Bridge des Herstellers macht sie kompatibel.
Kein offizieller Begriff für Produkte, die mit Bridge arbeiten
Wer heute auf Amazon.de den Suchbegriff „Matter Sensor“ eingibt, wird mit allen möglichen Varianten des Themas konfrontiert: „Matter-over-Thread“-Sensoren, die über ein eigenes Zertifikat verfügen. Zigbee-Modelle, die eine Bridge benötigen und zusammen mit dieser als „Matter-fähig“ verkauft werden. Oder Exemplare, bei denen lediglich die Option besteht, weshalb der Begriff Matter irgendwo im Text auftaucht. Für Endkonsumenten ist das ziemlich verwirrend.

Die Hersteller suchen kreativ nach Wegen, solche Geräte anzupreisen, ohne auf den werbewirksamen Begriff Matter zu verzichten. Aqara etwa hat in den vergangenen Monaten mit verschiedenen Formulierungen experimentiert – von „Matter over Zigbee Bridge“ über „Zigbee Integration with Matter over Bridge Support“ bis „Zigbee with Matter over Bridge Support“.

SwitchBot weist bei seinen Bluetooth-Produkten darauf hin, dass ein Hub des Herstellers als Bridge benötigt wird („SwitchBot Hub required“), riskiert mit dem abgebildeten Matter-Logo aber Missverständnisse. Noch komplizierter ist es bei den Flic-Buttons, die ebenfalls einen Hub für Matter verlangen, diesen jedoch nicht als Matter Bridge nutzen, sondern als Matter Controller. Damit müssen potenzielle Käufer noch mehr über den Standard wissen als bei anderen Herstellern.

Nur native Matter-Produkte tragen ein Logo
Der aktuelle Gebrauch von Matter-Logos in Online-Shops und auf Hersteller-Webseiten trägt also eher zur Verwirrung bei, als dass er die Kaufentscheidung vereinfacht. In den Richtlinien des Standards ist festgelegt: Nur Geräte, die Matter direkt unterstützen und zertifiziert sind, sollen das offizielle Logo auf ihrer Verpackung tragen. Sie müssen eine von drei Technologien für die Verbindung nutzen: Ethernet, WLAN oder Thread. Auch umschaltbare Dual-Funk-Geräte die wahlweise Zigbee oder Thread unterstützen, kommen für die Auszeichnung infrage.
Wer online kauft, sieht in der Regel aber keine Verpackung. Er muss den Abbildungen und Beschreibungstexten im Internet vertrauen. Und hier beginnen die Schwierigkeiten – denn worauf sich diese Informationen beziehen, ist häufig unklar. Handelt es sich um ein natives Matter-Produkt oder um eine Bridge-Lösung? Die Thread-Group, als Dachorganisation für das in Matter genutzte Funkprotokoll zuständig, hat eine spezielle Kennzeichnung entwickelt: Für Thread-Produkte gibt es das Label mit dem Zusatz „Verlangt einen Border Router“ (Requires Border Router). Damit Käufer wissen, welches Zubehör sie für den Einsatz zu Hause benötigen.

Vielleicht wäre ein ähnliches Emblem auch für Produkte hilfreich, die per Hersteller-Bridge den Anschluss an Matter-Plattformen finden. Möglicher Claim: „Verlangt System Bridge“ (Requires System Bridge). Damit könnten Anbieter für ihre hauseigenen Produkte werben – allerdings nur, wenn sie eine Matter-zertifizierte Bridge dafür anbieten. Die Einschränkung auf das System würde verhindern, dass plötzlich jeder Zigbee-, Z-Wave oder Bluetooth-Sensor auf dem Markt ein Matter-Logo trägt, nur weil es irgendwo eine Bridge dafür gibt. Solch eine inflationäre Verwendung des Begriffs würde die Verwirrung nur weiter vergrößern und obendrein das Logo entwerten.
Der umgekehrte, viel radikalere Weg wäre theoretisch auch denkbar: Nur noch Matter-zertifizierte Produkte dürfen online mit dem Standard in Verbindung gebracht werden. Ob das in der Praxis durchsetzbar ist oder überhaupt kontrolliert werden kann, steht auf einem anderen Blatt.
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