Darauf haben viele Anwender des Matter-Standards gewartet: Version 1.5 der Spezifikationen fügt Kameras als neue Produktkategorie hinzu. Nun können die Hersteller Überwachungskameras bauen, deren Aufnahmen systemübergreifend nutzbar sind – ein weiterer Schritt zu mehr Vereinheitlichung im Smarthome. Die Connectivity Standards Alliance (CSA) nennt erste Details dazu in einem Blog-Beitrag zur Veröffentlichung von Matter 1.5 (link).
Standardisierte Kamera-Übertragung in Matter
Im Unterschied zu gängigen Kamera-Integrationen, die oft individuelle Anpassungen und Programmierschnittstellen (API) verlangen, nutzt Matter einen offenen Standard. Die Übertragung basiert auf WebRTC (Web Real-Time Communication, link), einer Technologie zur verschlüsselten Übertragung von Audio- und Videodatenströmen.
WebRTC wurde 2021 vom World Wide Web Consortium (W3C) und der Internet Engineering Task Force (IETF) verabschiedet. Die Technologie kommt unter anderem auf Videokonferenz-Plattformen wie Zoom, Google Meet oder Microsoft Teams zum Einsatz. Aktuelle Browser wie Chrome, Edge, Firefox und Safari unterstützen sie ebenfalls. Laut CSA kombiniert Matter 1.5 das Verfahren mit anderen standardisierten Protokollen, um Kameras herstellerübergreifend fernzusteuern.
Vorgesehen sind unter anderem die Änderung der Brennweite (Zoomen), das Schwenken und Neigen sowie Bildbereiche, die von der Überwachung ausgenommen werden, um die Privatsphäre zu schützen. Außerdem unterstützt Matter 1.5 zwei Aufnahme-Varianten: den kontinuierlichen Videomitschnitt und ereignisbezogene Clips, also solche, die nur bei Bedarf aufgezeichnet werden. Auch Set-ups mit mehreren Streams sind Teil der Spezifikation.

Als Speicherziel nennt der CSA-Beitrag das heimische Netzwerk, was zum lokalen Ansatz von Matter passt. Die Hersteller können Aufzeichnungen aber auch auf Server im Internet übertragen. Damit sind Kameras die ersten Matter-Geräte, die dieses direkte Hochladen in die Cloud ermöglichen. Man wolle die Innovationsfähigkeit der Unternehmen nicht einschränken, heißt es im Beitrag. „Wir haben Kameras so konzipiert, weil sie häufig eine Analyse in der Cloud erfordern. Manche Ökosysteme führen diese Analyse in ihren Hubs durch, andere in der Cloud. Matter-Kameras unterstützen beide Modelle vollständig“, ergänzt Christopher LaPré, Technologiestratege der CSA.
Im Übrigen bleibt es den Kameraherstellern überlassen, ob sie – im Stil von Eve Systems – keine personenbezogenen Daten von Anwendern sammeln. Oder ob sie ein Nutzerkonto mit der E-Mail-Adresse des Kunden anlegen, um darüber eigene Dienste wie ein Videoarchiv anzubieten. Dem parallelen Einsatz mehrerer Plattformen steht ebenfalls nichts im Wege: „Matter-Kameras unterstützen vollständig Multi-Admin und ermöglichen es mehreren Ökosystemen, gleichzeitig denselben Videostream einer Kamera zu nutzen, sofern der Kunde über eine genügend Bandbreite verfügt, um diesen Betrieb zu unterstützen“, so LaPré zu matter-smarthome.
Erste Matter-fähige Kameras im 1. Halbjahr 2026
Bis die neuen Spezifikationen greifen, dauert es ein paar Monate. Hersteller TP-Link war mit Kameramodellen an internen Tests der CSA beteiligt, hat kurzfristig auf Nachfrage aber keine weiteren Aussagen getroffen. Xthings wird Matter 1.5 mit kommenden Modellen aus seiner Ulticam-Produktlinie (link) unterstützen. „Darunter die Ulticam V2, die unsere KI-Intelligenz mit der sicheren Grundlage der Connectivity Standards Alliance kombiniert“, so Ray Sunder, Leiter des Produktmanagements bei Xtings. Eine weitere Marke des Unternehmens, Utec (link), hat zwei preisgünstige Kameras und eine Video-Türklingel auf ihrer Webseite angekündigt (Bild unten).

Aqara (link) ist ebenfalls mit an Bord: „Wir freuen uns, mitzuteilen, dass unsere Matter-Kamera voraussichtlich im ersten Halbjahr 2026 auf den Markt kommen wird“, teilt Cathy You, Senior Vice President of Global Business and Strategy, auf Nachfrage mit. „Außerdem planen wir die Matter-Unterstützung für einige unserer bestehenden Kameras.“ Eve Systems begrüßt die neue Produktkategorie als „Sternstunde für den Standard und Musterbeispiel für die Zusammenarbeit innerhalb der CSA“. Gleichzeitig kündigt die ABB-Tochter eine Erweiterung ihres bestehenden Portfolios um Matter-fähige Kameras an, allerdings ohne einen Termin zu nennen. Die bisherige Eve Cam unterstützt den HomeKit-Secure-Video-Standard von Apple. Eine Erweiterung auf andere Plattformen ergibt für den Matter-Pionier aus München also durchaus Sinn.

In allen großen Matter-Ökosysteme von Apple bis SmartThings werden Kameras bereits heute unterstützt – entweder kostenlos oder im Rahmen eines Abos mit erweiterten Funktionen (Apple HomeKit Secure Video, Google Home Premium). Wann die Plattformen ihre Streaming-Funktionen auch für Matter-Kameras öffnen, bleibt abzuwarten. Sie müssen dazu auch die entsprechenden Spezifikationen aus Matter 1.5 umsetzen, was erfahrungsgemäß seine Zeit benötigt.
Mehr Energiemanagement in Matter 1.5
Das mittlerweile achte Matter-Release erweitert auch die Möglichkeiten zur Kontrolle und Übertragung von Energiedaten. So gibt es eine neue Kategorie für Stromtarife („Electrical Energy Tariff“), die es erlaubt, Energiepreise und CO₂-Daten auszutauschen. Versorgungsunternehmen, Netzbetreiber und Geräte können darüber kommunizieren, um Betriebszeiten zu optimieren. Eine wichtige Funktion, denn mit einem wachsenden Anteil erneuerbarer Energien im Strommix reicht ein Energiemanagement in den eigenen vier Wänden nicht mehr aus. Das Stromnetz, dynamische Tarife und behördliche Vorgaben müssen in die Kalkulation einbezogen werden.
Matter 1.5 zielt mit Informationen zu Kilowattpreisen, Verbrauchsprognosen und CO₂-Emissionen darauf ab. Auch die Unterstützung intelligenter Stromzähler soll verbessert worden sein. Und erstmals kann das bidirektionale Laden von Elektroautos zertifiziert werden. In dieser Betriebsart nimmt die Batterie im E-Auto nicht nur Strom auf, sondern gibt ihn bei Bedarf auch wieder ab – etwa an das eigene Haus (Vehicle to Home, V2H) oder ins öffentliche Stromnetz (Vehicle to Grid, V2G). In manchen Ländern wie Frankreich oder Japan wird dieses Verfahren bereits praktiziert, andere wie Deutschland stehen kurz davor.
Weitere Verbesserungen im Smarthome-Standard
Für Hersteller von Fenster- und Torlösungen bedeutet Matter 1.5 ebenfalls einen Fortschritt. Bislang gab es im Standard nur zwei Arten von „Closures“ (Verschlüssen): Türschlösser und Fensterabdeckungen. Ein Produkt wie der abschließbare Fenstergriff von Siegenia bedient sich darum des Software-Clusters für Smart Locks – und erscheint als Türschloss in verbundenen Ökosystemen. Matter-kompatible Markisen oder Garagentor-Antriebe müssen sich aus demselben Grund als Rollläden ausgeben.
In den neuen Spezifikationen werden diese Einschränkung aufgehoben und durch ein neues, modulares Cluster-Design ersetzt. Entwickler können nun verschiedene Bewegungsarten und Konfigurationen kombinieren: Schieben, Drehen oder Öffnen sind ebenso vorgesehen wie einzelne oder doppelte Paneele und ineinander verschachtelte Mechanismen. Damit soll Matter eine breite Palette an Geräten von Jalousien über Vorhänge, Markisen und Tore bis zu Garagentoren abdecken, erklärt die CSA.
Neu hinzugekommen sind außerdem Bodensensoren für das Wassermanagement. Gemeinsam mit Ventilen – seit Matter 1.3 im Standard – bilden sie die Grundlage für eine intelligente Garten- oder Pflanzenbewässerung. Die Sensoren messen Feuchtigkeit und optional auch Temperatur. Ein verbundenes Ökosystem kann mithilfe dieser Daten das Blumengießen oder Beregnen des Rasens automatisieren. Über konkrete Geräte ist noch nichts bekannt. Grimsholm, der schwedische Spezialist für Garten- und Forstgeräte (link), hat aber angekündigt, schon bald ein Matter-fähiges Produkt vorstellen zu wollen.

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