Symbolbild: Checkliste für die Matter-Zertifizierung.

So läuft die Matter-Zertifizierung ab

Die Erfinder des Smarthome-Standards Matter haben seinen Software-Code von Anfang an offengelegt. Er ist Open Source und jeder kann Geräte damit entwickeln. Um alle Funktionen zu unterstützen, müssen die Produkte jedoch zertifiziert werden. Nur mit dem offiziellen Segen der Connectivity Standards Alliance (CSA) unterstützen sie alle Sicherheitsmechanismen des Standards und dürfen das Matter-Logo tragen – als Zeichen ihrer uneingeschränkten Kompatibilität. Sie erscheinen außerdem im Produktverzeichnis auf der CSA-Website (link).

Hersteller von zertifizierten Produkten können mit dem Logo werben. Bild: matter-smarthome

Für kommerzielle Anbieter, die mit den Insignien des Standards werben wollen, führt an der Begutachtung also kein Weg vorbei. Dieser Beitrag erklärt, wie so eine Zertifizierung abläuft – und welche Kosten für Hersteller dabei entstehen können. Er beschreibt den offiziellen Weg über die CSA. Preise von Service-Anbietern, die den Prozess teilweise oder komplett im Kundenauftrag übernehmen, können davon abweichen.

Mitgliedschaft in der CSA

Erste Voraussetzung: Um Matter-Produkte zertifizieren zu lassen, müssen Unternehmen der Connectivity Standards Alliance beitreten. Der Herstellerverband, der auch das Zigbee-Protokoll in seinen diversen Ausprägungen verwaltet, ist die Dachorganisation des Matter-Standards. Er koordiniert seine Entwicklung und veröffentlicht Spezifikationen, nach denen sich Konstrukteure und Programmierer zu richten haben.

Für eine CSA-Mitgliedschaft fallen jährliche Gebühren an. Ausnahme: Firmen, die ein bereits zertifiziertes Produkt unter eigenem Namen auf den Markt bringen möchten – etwa weil sie es zukaufen – können am Certification Transfer Program (CTP) teilnehmen. Als Associate Member bezahlen sie dann für jedes Produkt einen Einmalbetrag und zusätzlich einen geringeren Jahresbeitrag, damit die Zertifizierung erhalten bleibt. Die folgende Tabelle (Stand: März 2023) gibt einen Überblick. Alle Zahlen stammen von der CSA-Website (link).

Mitgliedsbeiträge und Gebühren der CSA
AssociateAdopterParticipantPromoter
CSA-Mitgliedsbeitrag7.000 US$ / Jahr20.000 US$ / Jahr105.000 US$ / Jahr*
Zertifizierung eigener Produkte3.000 US$ / Produkt2.000 US$ / Produkt2.000 US$ / Produkt
Davon abgeleitete oder Folgeprodukte2.500 US$ / Produkt1.500 US$ / Produkt1.500 US$ / Produkt
Zertifikate im CTP-Programm2.500 US$ / Produkt2.500 US$ / Produkt1.500 US$ / Produkt1.500 US$ / Produkt
Jährliche CTP-Gebühr500 US$ / Produkt
*plus Einmalzahlung

Zusammen mit der Höhe des Mitgliedsbeitrags steigt der Einfluss von Unternehmen in der CSA. So dürfen Adopter zwar an Workshops und Test-Events teilnehmen, haben aber keine Stimme in den Arbeitsgruppen. Sie können weder Vorschläge einbringen noch selbst an den Spezifikationen des Standards mitwirken. Das geht erst ab dem Status Participant. Produkte als OEM-Hersteller (Original Equipment Manufacturer) zu entwickeln und zu zertifizieren, um sie im Rahmen des CTP-Programs anderen zu überlassen, ist auch nur als Participant oder Promoter möglich. Die teuerste Rolle sichert obendrein einen Sitz im Vorstand der Connectivity Standards Alliance. Promoter reihen es sich dort in die erste Riege neben Firmen wie Amazon, Apple, Google, Huawei, Ikea und Samsung ein.

Hersteller-ID und Produkt-ID

Direkt nach ihrem Beitritt können CSA-Mitglieder eine Vendor-ID beantragen, die sie als Anbieter identifiziert. Produkte des Unternehmens werden fortan dieser Kennung zugeordnet und lassen sich an ihren Ursprung zurückverfolgen. Darüber hinaus erhalten sie eine eindeutige Produkt-ID. Der 16-stellige Zifferncode begleitet Produkte wie eine Reisepassnummer und macht sie ebenso unverkennbar wie den Anbieter.

Für die weiteren Schritte ist entscheidend, welche Netzwerk-Technologie zum Einsatz kommt. Der Matter-Standard sieht bislang drei Wege vor, wie Geräte eine Verbindung herstellen: per Ethernet-Anschluss (LAN), über Wi-Fi (WLAN) oder mit dem Funkprotokoll Thread. An Geräten ohne Touchscreen, TV-Bildschirm oder ein anderes User-Interface kommt außerdem noch Bluetooth-Funk hinzu (BLE in Version 4.0 oder neuer). Damit Smartphones, Tablets & Co. beim Einrichten helfen können.

Mit Ausnahme reiner Software-Produkte müssen alle Aspiranten bestimmte Tests absolvieren, um für die Matter-Zertifizierung zugelassen zu sein. Diese Prüfungen haben nichts mit dem Smarthome-Standard zu tun, sie gehören zur Netzwerk-Infrastruktur. Ein Gerät mit LAN, WLAN, Bluetooth oder Thread hat schließlich gewisse Vorgaben zu erfüllen, damit es zuverlässig funktioniert. Organisationen wie die Thread Group machen diese Vorgaben und sorgen mit ihrer Zertifizierung für Konformität.

Die Konformitätserklärung für bestimmte Funkprotokolle kostet Gebühren. Bild: Bluetooth SIG

Tests zum Übertragungsweg

Die gute Nachricht: Anbieter, die Funkmodule eines Chip-Herstellers wie Infineon, Nordic Semiconductor, NXP, SiliconLabs oder Texas Instruments einsetzen, kommen um viele dieser Tests herum. Sie können Dokumente des Chip-Produzenten bei der jeweiligen Zertifizierungsstelle einreichen und so eine Freigabe erhalten. Abhängig vom Übertragungsweg sind folgende Bescheinigungen oder Tests notwendig:

  • Ethernet-Geräte müssen die Vorgaben für elektrische Konformität des Physical Medium Attachment (PMA) im IEEE-Standard 802.3x erfüllen.
  • WLAN-Geräte benötigen für Bluetooth eine Zertifizierung der Bluetooth Special Interest Group (SIG, link) und – sofern sie zusätzlich das offizielle Logo der Wi-Fi-Alliance tragen sollen – auch ein Zertifikat von dort (link).
  • Thread-Geräte müssen ebenfalls von der Bluetooth SIG (link) zertifiziert sein und die Tests der standardgebenden Thread Group (link) absolviert haben.

Für Prüfungen, die von einem autorisierten Testlabor (ATL) durchgeführt werden, berechnet das jeweilige Institut eine Gebühr. Außerdem können Kosten durch die Mitgliedschaft in der jeweiligen Funk-Allianz entstehen. Eine Ausnahme bildet dabei die Bluetooth-Arbeitsgemeinschaft mit ihrem Adopter-Status. Adopter zahlen zwar einen höheren Einmalbetrag für die Zertifizierung von Bluetooth-Produkten, jedoch keine jährliche Mitgliedsgebühr. Die aktuellen Tarife im Überblick (Stand: März 2023):

Mitgliedsbeiträge und Gebühren der Funk-Allianzen
Bluetooth SIGThread GroupWi-Fi Alliance
MitgliedsbeitragAdopter: 0 US$ / Jahr
Small Associate: 9.000 US$ /Jahr*Implementer: 7.500 US$ / JahrImplementer: 5.150 US$ / Jahr
Large Associate: 42.000 US$ /Jahr**Contributor: 15.000 US$ / JahrContributor: 20.000 US$ / Jahr
ZertifizierungAdopter: 9.600 US$ / ProduktImplementer: 1.500 US$ / ProduktImplementer: 4.000 US$ / Produkt
Associate: 4.800 US$ / ProduktContributor: 1.000 US$ / ProduktContributor: ab 600 US$ / Produkt
TestgebührenAbhängig vom LaborAbhängig vom LaborAbhängig vom Labor
*Umsatz <100 Millionen US$ **Umsatz >100 Millionen US$

Parallel zu diesen Netzwerk-Aufgaben sollten Anbieter auch gleich die eigentlichen Matter-Tests in Angriff nehmen. Denn jedes Produkt, das für Matter zertifiziert werden soll, muss ebenfalls von einem autorisierten Labor geprüft werden. Alternativ bieten sich Specification Validation Events (SVE) als Testumgebung an. Die Matter-Arbeitsgruppe innerhalb der CSA veranstaltet solche Treffen in loser Folge, um neue Spezifikationen auszuprobieren und auf ihre Kompatibilität hin zu überprüfen. Hersteller, die an einem SVE der Connectivity Standards Alliance teilnehmen, können sich das erfolgreiche Abschneiden dort im Nachhinein bestätigen lassen.

Autorisierte Testlabore für Matter

Der normale Weg zum Zertifikat führt jedoch über ein Labor. Die Connectivity Standards Alliance hat unabhängige Institute unter Vertrag genommen, die gegen Bezahlung überprüfen, ob ein Gerät den Vorgaben des Standards entspricht (link). Deren Einrichtungen sind über die Welt verteilt. Viele Anbieter unterhalten Niederlassungen auf mehreren Kontinenten. Zu den autorisierten Testlaboren (ATL) zählen:

  • Allion Labs aus Taiwan (link)
  • Bureau Veritas aus Frankreich (link)
  • Cesi China Electronics Standardization Insitute (link)
  • DEKRA aus Deutschland (link)
  • Element Materials Technology aus Großbritannien (link)
  • GRL Granite River Labs aus den Vereinigten Staaten (link)
  • Resillion aus Belgien (link)
  • TÜV Rheinland aus Deutschland (link)
  • UL Solutions aus den USA (link)

Der Prüfbericht des Labors komplettiert die Unterlagen. Er geht direkt an die zuständige Stelle der CSA. Damit dort alle Daten richtig zusammenfinden, reicht der Hersteller oder Produktanbieter in der Zwischenzeit seinen Antrag auf Zertifizierung ein.

Testinstitute wie der TÜV Rheinland nehmen auch Prüfungen für Matter vor. Bild: TÜV

Das Zertifizierungs-Tool der CSA

Auf den Internetseiten der Connectivity Standards Alliance gibt es ein Web-Tool (link) für die nötigen Eingaben. Hier wählen Mitglieder aus, ob es sich um den Erstantrag für ein völlig neues Produkt handelt, oder ob schon Vorgänger mit derselben Matter-Software in der Datenbank existieren. Für diesen Fall sieht die CSA einen vereinfachten Prozess vor: Die Certification by Similarity kommt mit weniger Tests aus, weil der Antrag auf einem bereits erteilten Zertifikat basiert.

Ähnliches gilt für Mitglieder einer Modellfamilie, die sich vielleicht nur in der Sprache ihres User Interface unterscheiden (Product Family Certification), oder die Übernahme eines gültigen Zertifikats im Rahmen des Certification Transfer Programs. Dabei muss lediglich das Ursprungsprodukt die Labortests durchlaufen, seine Nachkommen jedoch nicht.

Zur Antragsstellung sind verschiedene Daten nötig – angefangen bei der Vendor-ID und der eindeutigen Produktkennung (Product-ID). Dinge wie der Gerätetyp (Device Type) und die Rolle (Device Role) werden ebenfalls abgefragt. Außerdem verlangt das Tool vier Dokumente, die am besten schon vorab ausgefüllt sein sollten:

  • Konformitätserklärung (Document of Conformity, DoC) mit Typenbezeichnungen, Artikelnummern und Unterschriften der verantwortlichen Personen.
  • PICS-Dokument (Protocol Implementation Conformance Statements), eine XML-Datei mit den vom Produkt unterstützten obligatorischen und optionalen Funktionen.
  • Netzwerk-Transport-Bescheinigung(en) zu den verwendeten Technologien wie Bluetooth, Thread und Wi-Fi (nicht nötig für Software-Produkte).
  • Sicherheits-Erklärung, wie der Hersteller die im Matter-Standard festgelegten Anforderungen und Empfehlungen umgesetzt hat.

Nach Absenden des Antrags landet dieser in einer Warteschlange. Mitarbeiter der CSA arbeiten sie ab und stellen bei erfolgreicher Begutachtung die Konformitätsbescheinigung aus. Gibt es Beanstandungen, erfährt der Absender per E-Mail davon. Er hat dann Gelegenheit, die Mängelliste abzuarbeiten und einen neuen Anlauf zu übernehmen.

Erfolgreiche Zulassung

Hat alles geklappt, trudelt ein PDF-Zertifikat per E-Mail ein. Wenn nicht anders gewünscht, erscheint der Neuzugang in der Liste zertifizierter Produkte auf der CSA-Website. Über das Dashboard des Web-Tools lassen sich außerdem alle Matter-Logos herunterladen, die für eine Verwendung mit dem Produkt zugelassen sind.

Als weiteren Download stellt die CSA eine sogenannte Blob-Datei zur Verfügung. Sie enthält die Zertifizierungserklärung in digitaler Form. Der Datensatz kommt in den Software-Code des Produkts und erlaubt später den Abgleich mit dem Distributed Compliance Ledger (DCL) von Matter. Das offizielle, dezentrale Server-Netz mit Blockchain-Technologie dient der Sicherheit. Geräte können sich ihm gegenüber als authentisch ausweisen und Anbieter eines Matter-Controllers ihre Software so programmieren, dass er nur Produkte akzeptiert, die im DCL verzeichnet sind.

Im Distributed Compliance Ledger sind Daten zu Matter-Geräten gespeichert, mit denen sich auch ihre Zertifizierung prüfen lässt. Bild: matter-smarthome

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