„Wir möchten System-Integratoren helfen, Nachrüstprojekte mit Matter umzusetzen“

Ein Interview mit Satja Lumbar, CEO des Gebäudetechnikanbieters 1Home. Das Unternehmen aus Berlin mit Büros in Slowenien bietet einen Matter-Server für KNX an und setzt stark auf den neuen Smarthome-Standard. Lumbar erklärt, weshalb – und warum er glaubt, dass Matter für professionelle Installateure wichtig wird.

This is a translation of an English interview. For the original version, go this way.

Herr Lumbar, 1Home hat ein neues Produkt, das den Gebäudestandard KNX mit Matter verbindet. Aber woher kommen Sie als Unternehmen eigentlich und was bieten Sie sonst an?

Satja Lumbar: Alles begann im Jahr 2017, als unser Gründer Gregor Rebolj ein Apartment kaufte. Er installierte KNX in dieser Wohnung und mochte das System, seine Stabilität und Robustheit. Aber es gefiel ihm nicht, dass er die Installation nicht mit dem Alexa-Sprachdienst steuern konnte. Das hat ihn wirklich gestört. Und da er im Grunde seines Herzens auch Programmierer ist, entwickelte er einen Prototyp für eine KNX-zu-Alexa Lösung. So entstand die Firma.

Am Anfang hatten wir ein cloudbasiertes Produkt mit Abonnement. Und da sich viele Leute die gleiche Frage stellten, suchten sie im Internet nach einer Lösung. Wir sind schön gewachsen. Aber wir haben schnell gemerkt, dass man mit Systemexperten, Integratoren und Vertriebsfirmen zusammenarbeiten muss, um in diesem Business wirklich zu skalieren. Und ein Cloud-Produkt mit Gebühren auf Abonnementbasis war kein Produkt, das die Integratoren so einfach akzeptieren würden. Also beschlossen wir, ein physisches Produkt zu entwickeln, das mit KNX kommuniziert und im Verteilerschrank installiert werden kann.

Wir haben weitere Funktionen ergänzt, wie den sicheren Zugriff auf die ETS des Kunden, damit Integratoren eine Programmierung aus der Ferne vornehmen können. Die Steuerung mit Apple kam neben Alexa hinzu. Wir haben einen speziellen Algorithmus integriert, der es unseren Kunden erleichtert, Geräte zu konfigurieren, da die Geräte-/ Raum- / Aktor-Struktur aus einer ETS-Projektdatei automatisch erkannt und in unsere 1Home-Umgebung übertragen wird. Das war unser erstes Hardware-Produkt, die 1Home Bridge.

„Wir haben uns entschieden, ein Risiko einzugehen und die Ersten auf dem Markt zu sein mit einem KNX-to-Matter-Gerät.“

Und nun treten Sie mit einem Matter-Produkt in den Markt ein, während andere Unternehmen aus dem KNX-Umfeld noch abwarten und beobachten. Warum dieser frühe Einstieg?

Lumbal: Wir hatten Matter schon früh auf unserem Radar. Der Ansatz war vielversprechend, weil es in der drahtlosen Kommunikation keine echte Interoperabilität gibt. Sie müssen immer prüfen, ob ein Gerät mit Ihrem Telefon funktioniert. Oder mit dem Telefon Ihrer Frau. Und ob es mit den Geräten funktioniert, die Sie zuvor gekauft haben. Wir waren also überzeugt, dass Matter wirklich eine große Sache sein kann, und beschlossen, ein Risiko einzugehen. Das Risiko, die Ersten auf dem Markt zu sein mit einem KNX to Matter Gerät.

Sie hatten bereits eine Bridge, die KNX mit Systemen wie Alexa und Apple Home verband. Hätte man sie nicht in eine Matter-Bridge umfunktionieren können?

Lumbal: Unser erstes Gerät war nicht in der Lage, Matter zu unterstützen, weil es keine IPv6-Konnektivität hatte. Es gab auch noch andere Einschränkungen, etwa beim Speicherplatz. Und wir haben nicht unsere eigene Hardware verwendet, sondern die eines deutschen Unternehmens, Weinzierl. Also beschlossen wir, unsere eigene, maßgeschneiderte Hardware zu bauen und Matter darauf aufzusetzen. So wurde der 1Home Server im Oktober 2023 geboren. Und er wurde vom Markt sehr, sehr gut aufgenommen. Seither haben wir mehr als 5.000 Stück verkauft – in weniger als einem halben Jahr.

„5.000 Stück wurden verkauft – in weniger als einem halben Jahr.“

Aber im Grunde ist dieser neue Server auch eine Bridge …

Lumbal: Wir haben uns entschieden, den Server mit einer Grundfunktionalität einzuführen, damit diese Hauptfunktionalität wirklich zuverlässig funktioniert. Aber wir haben bereits zwei neue Funktionen angekündigt. Die eine ist 1Home Automations. Denn mit der 1Home Bridge hatten wir keine Automatisierungen in unserem Produkt und viele Integratoren haben uns gesagt, dass sie diese vermissen.

Die gute Nachricht: Automatisierungen werden mit einem für den 8. April 2024 geplanten Update kommen. Und natürlich erhalten alle Server, die vor diesem Datum gekauft wurden, dieses Update kostenlos. Mit dem Release werden wir den Preis des Servers anheben und Ende Juni gibt es dann ein weiteres Feature-Update. Es ermöglicht die Kommunikation in beide Richtungen – von Matter in eine KNX-Installation und umgekehrt von dort zu Produkten, die den Matter-Standard verwenden.

Die Matter Bridge wird also auch zu einer Art Matter Controller?

Lumbal: Unsere Integratoren werden immer wieder mit solchen Anforderungen konfrontiert. Sie haben beispielsweise ein KNX-Projekt, aber dann kommen Kunden und wollen ihr Philips Hue System integriert haben – um die Lichter von einem normalen Taster aus der KNX-Installation heraus zu steuern. Oder jemand will eine Wohnung über Airbnb vermieten und möchte ein Nuki Smartlock oder etwas Ähnliches für die Zugangskontrolle integrieren. Alles Dinge, die bisher mit KNX nicht so einfach möglich waren. Das sind in erster Linie die Probleme, die wir mit der Funktionalität eines Matter-Controllers lösen möchten. Aber wir schauen auch in die Zukunft. Im Grunde wollen wir den Matter-Teil nehmen und ihn in ein neues Produkt einbauen.

„Es gibt einen 300-mal größeren Markt an nachrüstbaren Häusern, die niemals neu verkabelt werden.“

Eigenständige Matter-Controller gibt es bereits von Apple, Google und anderen. Warum sollten Sie Ihren eigenen bauen?

Lumbal: Weil wir System-Integratoren in die Lage versetzen wollen, Nachrüstungsprojekte mit Matter durchzuführen. Die großen Firmen wie Apple, Google und Samsung schauen nicht auf den Integrator. Sie gehen davon aus, dass man Geräte online kauft, sie nach Hause bringt und selbst konfiguriert. Aber wir, die wir von KNX kommen, verstehen, dass es ohne einen System-Integrator kein echtes Smarthome gibt. Denn entweder hat man nicht die Zeit, alle Geräte auszuwählen und zu konfigurieren, oder man verfügt nicht über das notwendige Wissen. Wir wissen aber auch, dass wir mit KNX nur etwa 10 bis 20 Prozent der Kunden erreichen, die ein neues Haus bauen oder eine komplette Renovierung durchführen. Es gibt einen 300-mal größeren Markt von intelligenten, nachrüstbaren Häusern, die niemals neu verkabelt werden und deren Besitzer keine Produkte online kaufen. Das ist es, was wir wirklich sehen, die Vision von 1Home.

Würden Sie so eine professionelle Nachrüstung mit Matter näher erläutern?

Lendenwirbel: Nehmen wir an, Sie möchten ein Haus mit Matter nachrüsten. Dann kaufen Sie Produkte für Beleuchtung, Beschattung, Türen usw. von verschiedenen Herstellern und es gibt wahrscheinlich unterschiedliche Einrichtungsprozesse. Heute bräuchten Sie als System-Integrator das Smartphone des Kunden, um alles einzurichten. Die meisten Integratoren sagen an dieser Stelle schon nein danke.

Wir wollen ihnen eine Möglichkeit bieten, jedes Matter-Gerät mit einem einheitlichen Verfahren in 1Home einzubinden. Dort kann der Integrator sie steuern, hat Automatisierungen und die Möglichkeit der Fernwartung sowie des Fernzugriffs auf das System. Am Ende wird die gesamte Installation an den Kunden übergeben – mit einem QR-Code, den der Endnutzer mit seiner bevorzugten Matter-App auf seinem persönlichen Smartphone scannt. Wir denken, dass wir auf diese Weise verschiedene System-Integratoren in die Lage versetzen können, ein Matter-basiertes Smarthome für, ich weiß nicht, 2.000 bis 5.000 Euro anzubieten. Damit können sie zum ersten Mal in diesen Markt einsteigen, den sie bisher nicht ansprechen konnten.

„Wir glauben, dass wir Integratoren in die Lage versetzen können, ein Matter-basiertes Smart Home für 2.000 bis 5.000 Euro anzubieten.“

Warum sollten sich Integratoren mit Matter beschäftigen? Mir KNX Produkten haben sie eine viel höhere Marge.

Lumbal: Es stimmt, dass man mit einem KNX Projekt eine viel größere Marge hat. Aber es stimmt auch, dass ein solches Projekt zwei oder drei Monate bis zur Fertigstellung in Anspruch nimmt, vielleicht über ein Jahr. Bei Matter geht es in erster Linie um Konfiguration. In der Zeit, die ein KNX-Projekt benötigt, lassen sich vielleicht 100 oder mehr Matter-Homes umsetzen. Das gleicht die geringere Marge aus. Außerdem unterscheiden sich die Märkte von Land zu Land.

In Slowenien, wo ich herkomme, erhält ein System-Integrator eine Marge auf den Verkauf von KNX Geräten und packt etwa die Hälfte des Gerätepreises für seinen Service obendrauf. In Deutschland habe ich viele Integratoren getroffen, die nicht einmal die Geräte verkaufen – sie überlassen diesen Teil und die Marge dem Elektriker – berechnen aber gleichzeitig mehr für ihren Service. Wir können davon ausgehen, dass es bei dieser Art von Budgetverteilung wirklich keine Rolle spielt, wie viel Marge man mit den physischen Geräten erzielt. Es hängt letzten Endes alles davon ab, wie das Budget verteilt wird.

Im professionellen Einsatz kommt es auch auf Zuverlässigkeit an. KNX hat sich als solides und stabiles System erwiesen. Wie Sie wissen, hat Matter dieses Stadium noch nicht erreicht.

Lendenwirbel: Natürlich, Matter ist noch jung und hat seine Probleme. Aber ich kann glücklicherweise sagen, dass es Fortschritte gibt. Als Early Adopter von Matter habe alles gekauft, sobald es verfügbar war. Meine ersten Lampen von Nanoleaf etwa haben regelmäßig die Verbindung verloren. Aber jetzt, acht Monate später, gibt es damit keine Probleme mehr. Wahrscheinlich werden wir Geräte definieren, für die wir garantieren können, dass sie gut funktionieren. Aber unsere Lösung ist ja noch nicht fertig entwickelt, und in ein paar Monaten dürften die Dinge noch stabiler sein.

Ist das der Grund, warum viele Anbieter aus dem Bereich der professionellen Gebäudetechnik noch abwartend agieren? Es gibt sehr wenige Ankündigungen aus diesem Bereich.

Lendenwirbel: Matter ist in aller Munde, würde ich sagen. ABB hat Eve Systems gekauft, Gira hat auf der diesjährigen Light + Building eine Fallstudie gezeigt, Schneider Electric bereitet Matter-Unterstützung für seinen Wiser Server vor, und soweit ich gehört habe, wird auch Domovea von Hager Matter bekommen …

Aber es gibt keine allgemeine Aufbruchsstimmung für Matter …

Lumbal: Sie müssen wissen, dass es eine ähnliche Art von Protokoll gibt, das innerhalb von KNX entwickelt wird. Es heißt KNX IoT, aber es kommt nur langsam voran. Und es gibt viele Reibungsflächen in einigen traditionellen Unternehmen. Sie sehen, dass Matter an Zugkraft gewinnt und gleichzeitig gibt es Meinungsverschiedenheiten darüber, ob es besser wäre, auf KNX IoT als Nachrüstlösung zu warten. Denn KNX IoT wird von Anfang an über alle Installateurswerkzeuge verfügen. Aber im Moment gibt nur drei Geräte auf dem Markt, die Auswahl ist viel begrenzter als bei Matter.

„KNX IoT kommt nur langsam voran. Es gibt viele Reibungsflächen in einigen traditionellen Unternehmen.“

Vor allem aber: Matter ist in den Medien bereits sehr präsent. Die Leute haben davon gehört, und das ist wichtig. In der Vergangenheit gab es schon viele vielversprechende Funktechnologien wie Z-Wave oder Zigbee. Aber wenn man jemanden auf der Straße danach fragt, kennt sie niemand. Über Matter wissen die Leute schon Bescheid, und wissen Sie, warum? Meiner Meinung nach liegt es daran, dass die Großen an Bord sind. Apple ist dabei, Google ist dabei, Samsung ist dabei, sie alle reden über Matter. Darum sind normale Kunden, die noch nie von KNX gehört haben und die keine KNX-Anbieter kennen, interessiert. Mit dieser Art von Zugkraft nehmen Standards schnell Fahrt auf.

Wird Matter die Art und Weise, wie Gebäude automatisiert werden, verändern?

Lumbal: Ich denke schon, und das ist auch gut so. Die ETS ist eine praktische Lösung. Sie hat ihre Vor- und Nachteile, aber letzten Endes kann man mit diesem Software-Tool eine Menge machen. Andererseits verlangt es viel Know-how. Man muss die elektrischen Prozesse, die Maschinen und so weiter verstehen, und dann muss man in der Lage sein, all das in der ETS zu definieren. Und nicht alle Integratoren arbeiten auf höchstem Level, können sämtliche Möglichkeiten ausschöpfen. Sie machen Beleuchtungssteuerung, Beschattung, einfache HLK und so weiter. Aber wenn sie einen komplexen, intelligenten Beschattungsalgorithmus auf der Grundlage der Außen- und Innentemperatur, der Wetterstation und anderer Daten erstellen müssen, wird es schwierig.

„Ich denke, dass eine Schnittstelle notwendig ist, die all dies erleichtert.“

Wir sind überzeugt, dass einfaches An- und Abschalten von Lichtern künftig nicht mehr ausreichen wird. Deshalb möchten wir den vielleicht weniger versierten System-Integratoren eine Möglichkeit bieten, komplexe Funktionen auszuführen. Diese Funktionen sind wirklich nötig, um Energie zu sparen, einen gewissen gesundheitlichen Nutzen zu haben und so weiter. Letztlich bin ich der Meinung, dass es einer Schnittstelle bedarf, die das alles vereinfacht. Im Prinzip geschieht das ja schon mit Systemen wie Gira One oder 1Home. Matter erweitert nur die Möglichkeiten erheblich.

Herr Lumbar, vielen Dank für dieses Gespräch.

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